Und dann hörte ich den Arzt sagen: "Für solche Fälle gibt es Tierheime. Dann muss sie wohl vorübergehend in ein Tierheim." Mir gefror das Blut in den Adern. Alles, nur das nicht, dachte ich, kein Tierheim, auf gar keinen Fall. Ich lasse mich doch nicht in einen engen Käfig einsperren. Das tut man nämlich in diesen Tierheimen. Man sperrt die Tiere einfach in enge Käfige ein, in denen sie kaum zwei, drei Schritte machen können. Das wusste ich von Fips, dem Kater, der zwei Häuser weiter wohnte und mit dem ich manchmal ein paar Worte wechselte. Ein echter Streuner mit einem extrem schlechten Orientierungssinn, was bei uns Katzen eher selten vorkommt. Deshalb landete er von Zeit zu Zeit in solch einem Tierheim. Seine Besitzer holten ihn aber immer wieder ab, auch wenn ich überhaupt nicht verstand, warum. Jedenfalls zeigte Fips ihnen keine Spur von Dankbarkeit. Er hing noch nicht einmal an seinem Haus, höchstens an seinem Fressnapf. Emma stöhnte und hustete immer stärker. Als der seltsame Mann hinunterging, um den Krankenwagen einzuweisen, sprang ich vom Schrank und rollte mich neben Emmas Brust ein, an meiner Lieblingsstelle, zwischen Hals und Schulter. Ich spürte ihre trockenen Lippen an meinem Fell und leckte ihr zum Abschied noch einmal über die Hände, die mich so oft gestreichelt haben. Sie keuchte, schnaufte und schnappte immer wieder nach Luft. Dann schlief sie ein. Ich gehöre von Natur aus zu den eher treuen Katzen, ganz anders als Fips. Deshalb fiel es mir schwer, einfach wegzugehen und sie schlafend zurückzulassen. Doch den gemeinen Arzt wollte ich auch nicht mehr sehen. Deshalb rannte ich eilig die Treppen herunter und schlich durch das offene Küchenfenster hinaus ins Freie. Im Garten kletterte ich auf den großen Apfelbaum, unter dem wir immer so oft gesessen haben. Oben angekommen machte ich es mir auf einem dicken Ast gemütlich. Im Osten stand die Sonne schon hoch am Himmel und erleuchtete die ziemlich dunkel aussehende, alte Bäckerei. Das Blättergewirr war so dicht, dass ich mir sicher war, niemand würde mich bemerken. Weder der Arzt, noch Herr Schwarzberg, der besorgt auf der Veranda stand. Schließlich kam auch schon der Krankenwagen herbeigeeilt und zwei weiß gekleidete Männer aus. Auf einer Tragbahre zogen sie Emma die drei Stufen herunter aus den Haus, bugsierten sie vorsichtig in den Wagen und schlossen die Autotür. Ihre Augen waren geschlossen und die Glieder bewusstlos zur Seite gestreckt. Schrecklich hatte das ausgesehen. Wenige Minuten später raste der Krankenwagen mit Blaulicht davon. Als auch der Katzenhasserarzt mit seinem silbernen Transportwagen davongefahren war, wurde es auf einmal still. Sehr still. Sogar die Vögel hatten aufgehört zu singen.

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